Yoga allein – zu dritt – in der Gruppe

„Ein Wiener geht ins Caféhaus, um allein zu sein“

Margreth Distelbarth, langjährige Mitarbeiterin meines Yogalehrers Rudolf Fuchs in Stuttgart, begann eine ihrer Yogastunden mit einem Zitat über die Eigenart des Wieners beim Besuch von Cafehäusern. Im angesprochenen Zeitungsartikel hieß es, der Wiener ginge ins Cafehaus, um allein zu sein. Ähnlich sei es im Yoga, so die Meinung von Margreth Distelbarth: Zum Yoga ginge man, um endlich mal mit sich allein zu sein. Vielleicht haben Sie auch schon einmal folgende Beobachtung gemacht: Wenn Sie allein waren, nichts zu tun hatten, keine anforderungsvolle Aufgabe erledigt werden musste, keine anregende Musik oder irgendein Film ihre Aufmerksamkeit gefesselt hat oder wenn sie nachts allein im Bett lagen, dann kehrte nicht tiefe Ruhe ein, sondern die Heerscharen ihrer Gedanken hat sich über Sie hergemacht und ihr Gemüt in zähe Grübelei und unsinnige Unruhe versetzt.

Wenn ja, können Sie vielleicht nachvollziehen, wenn in einer Gruppensituation, in der alle eine meditative, auf innere Aufmerksamkeit gerichtete Körperhaltung einnehmen, dabei den Atem beobachten und bei jedem Schritt der Übung dabei das Bewusstsein angehalten wird, eine bestimmten Ausrichtung immer wieder zu erneuern, ein Mensch mehr bei sich selbst sein kann und vielleicht besser abschalten kann, als wenn er allen möglichen Ablenkungen jederzeit nachgehen kann? Natürlich geht es darum zu lernen, auch selbst und allein zur Ruhe zu kommen. Es kann aber sehr nützlich sein erst einmal wieder zu lernen, Umstände zu erkennen und Situationen zu kreieren, die günstig für das „Abschalten“ sind. Yoga bietet dafür seine Möglichkeiten und seine Wege an.

Swami Vivekananda beispielsweise behauptet, dass ein Raum mit der Zeit die Atmosphäre seiner Besucher (und deren Stimmung) annimmt. Es ist mir tatsächlich einmal passiert, dass zwei meiner Untermieter fragten, ob etwas mit meinem Übungsraum nicht in Ordnung wäre. Die Stimmung sei irgenwie anders. Tatsächlich hatte ich den Raum für einige Monate tagsüber jemandem zur Verfügung gestellt, der auf rein körperliche Fitness hin mit seinen Teilnehmern trainiert hatte. Ich rätsele noch heute darüber, ob meine Untermieter da wirklich eine andere Schwingung wahrgenommen hatten oder ob das Zufall war. Entscheiden Sie selbst, ob sie so etwas für möglich halten. Dass wir gelegentlich von einer schönen Atmosphäre eines Gebäudes oder eines Ortes sprechen, ist ein Phänomen, das nicht auf Yoga oder Meditation beschränkt ist.

Eigentlich übt man Yoga aber immer zu dritt:

Mit sich selbst, dem äußeren Lehrer und – dem inneren Lehrer, dem eigentlichen ICH. Der äußere Lehrer ist am Anfang unverzichtbar (Der Anfang im Yoga ist eher lang). Dennoch übt man v.a. für und mit sich selbst. Aber irgendwann bemerkt man eine andere Ebene in sich.  Da meldet sich etwas Wesentliches, etwas ganz Ursprüngliches. Das kann man dann den inneren Lehrer nennen. Aber natürlich sind wir es selbst, die wir uns neu und ganz unverfälscht erleben. Jedenfalls ist es Ziel des Yoga, zur Ruhe zu kommen, innerliches Abschalten zu lernen. Das können wir mit uns veranstalten. Das kann aber in der Gruppe mit entsprechender äußerer Umgebung auch erst einmal leichter sein.