Wechselatmung, nasaler Zyklus und Yoga

sukh pūrvak – Wechselatmung

Eine der wichtigsten und wohl auch eine der sehr alten Übungen des Yoga ist die Wechselatmung, sukh pūrvak, auch bekannt als nadi śodhana. Man hält sich ein Nasenloch zu, z.B. rechts, atmet links ein und zählt dabei auf vier, hält den Atem an und zählt auf acht, öffnet rechts und schließt links und atmet in sechs Zeiten aus. Dann atmet man in vier Zeiten rechts ein, zählt auf acht und atmet dann auf links in sechs Zeiten aus.Das scheint eine sehr unspektakuläre Übung zu sein. Aber man kann dann mit der Zeit auf den klassischen Rhythmus 4-16-8 und dann immer weiter steigern (Vorsicht, kein Yoga ohne Lehrer, ohne Betreuung!). Das kann sehr schnell recht anspruchsvoll werden. Das ist aber noch lange nicht das wirklich Überraschende und Spektakuläre dabei. Die eigentliche Überraschung kam für mich, als ich erfahren habe, dass die meisten Menschen so etwas schon immer praktizieren, allerdings ohne mit den Fingern die Nasenlöcher wirklich zuzuhalten.

Nasaler Zyklus

„Dieser so genannte ´nasale Zyklus` ist seit 1895 bekannt. Damals erwähnte ihn ein gewisser R. Kayser in einem Artikel unter der Überschrift „Die exacte Messung der Luftdurchgängigkeit der Nase“. Seitdem gilt es unter Atemwegsexperten als erwiesen, dass 80 Prozent der gesunden Bevölkerung vorwiegend (nicht ausschließlich) durch ein Nasenloch atmen.“ „DIE ZEIT“ Von Loch zu Loch – Stimmt`s? Christoph Drösser

Auch im Yoga ist auf Dauer wahrscheinlich die rein imaginative Form mit der reinen Vorstellung, den Atem mehr durch das eine oder andere Nasenloch zu ziehen, am stärksten.

Pińgalā und Idā- Sonne und Mond- männlich und weiblich

Was aber steckt dahinter? Wenn Sie den oben verlinkten Artikel lesen, werden Sie sehen, dass uns die Wissenschaft da nicht viel an Erklärung anbieten kann. Aus Yoga-Sicht ist das einfacher: Wr sind biologische Wesen, wir sind als Menschen mit unserem Körper Teil der Natur, und damit unterliegen wir wie alles andere in unserem Universum uralten Gezeiten. In dem Fall sind das allerdings keine Mondphasen, die unseren Rhythmus hier bestimmen. Aber man könnte trotzdem von Ebbe und Flut sprechen, allerdings bezogen auf die zwei Grundkräfte unseres Wesens. Pińgalā, der rechte Atemstrom, gilt als wärmender Atemstrom, er repräsentiert die Sonnenkraft und damit das Männliche in der Vorstellungswelt der alten Yogins. Und Idā,  der linke Atemstrom, gilt als der kühlende Atemstrom. Er repräsentiert Mondkraft und damit das Weibliche in dieser alten Weltbetrachtung. Und da in jedem Menschen, Männern wie Frauen, beide Prinzipien ständig wirken und arbeiten, schwingen wir ständig in einem dynamischen Gleichgewicht  dieser beiden sich wechselseitig ergänzenden Pole. Auch wenn die Natur dann jeweils in etwa der Hälfte aller Menschen recht eindeutig sich mehr für das eine oder mehr das andere Geschlecht entscheidet, sind gemäß den Yogins immer beide Pole mit im Spiel.

 Yogins sind Entdecker

Das Bemerkenswerte besteht für mich auch darin, dass Yogins schon vor tausenden von Jahren nicht einfach eine Übung erfinden wollten, sondern dass sie versuchten, intuitiv oder meditativ etwas in uns zu entdecken. Im Sinne der inneren und äußeren Natur sollten daraus Übungen abgeleitet werden. Da Ihnen keine medizinischen Geräte zur Verfügung standen, war ihre einzige Möglichkeit das innere Erleben. Was aber ist Innen aus Yogasicht. Ist Innen die Bauchhöhle? Oder die Schädelhöhle? Oder eine der Herzkammern? Oder der Brustraum?

Das Auge des Hurrikan und Yoga

Das ist aus Yoga-Sicht alles außen! Nicht nur die Welt, nicht nur das Universum, auch unser eigener Körper mit allen inneren Organen ist aus Yoga-Sicht außen. Yogins entdeckten das „Innen“ im Atem, in der Atempause. Schauen Sie sich ein Satellitenbild eines Wirbelsturmes an. Selbst wenn drumherum noch so sehr der Orkan wütet, in der Mitte herrscht Ruhe (s.u. „Hurrikan“ In: Wikpedia, Die freie Enzyklopädie Bearbeitungsstand: 22.Oktober 2014, 19:47 UTC). So ist das auch mit dem Atem und der Atempause. Wir mögen noch so sehr im Stress sein. Unser Atem mag keuchend oder hechelnd sein, bedrückend oder aufgewühlt durch ruhelose Gedanken. Dennoch gibt es den Ort der Ruhe, der immer mit im Spiel ist, so wie das Auge des Hurrikan mit dazugehört und die Mitte des Geschehens bildet.
 Zu diesem Geheimnis der Atempause und damit dem Geheimnis des „Innen“  vielleicht im neuen Jahr an dieser Stelle mehr. In der Übung geht es jedenfalls darum, die beiden antagonistischen Pole des Menschen zu rhythmisieren und den ruhenden Pol in uns hervorzuheben und stärker einzubinden.